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REZENSION 13

Karl Gebauer, Gerald Hüther

Kinder brauchen Vertrauen
Erfolgreiches Lernen durch starke Beziehungen

212 Seiten, kartoniert
€ 16,00
Düsseldorf u. Zürich:
Walter, 2004
ISBN 3-530-40163-3

Von dem inzwischen eingespielten Herausgeber- und Autoren-Duo Karl Gebauer und Gerald Hüther liegt im Anschluss ihres 2003 im Patmos-Verlag erschienenen Gemeinschaftswerks »Kinder brauchen Spielräume« nun ein weiterer Band mit Beiträgen zur aktuellen Erziehungsdebatte vor: »Kinder brauchen Vertrauen: Erfolgreiches Lernen durch starke Beziehungen«.

Die Thematik ist weit gefasst, der Titel könnte für Leser/innen, die alleine auf das Cover reagieren, missverständlich wirken, denn ein herkömmlicher Ratgeber ist dieses Buch ebenso wenig wie seine Vorgänger. Die Autorinnen und Autoren widmen sich auf sehr unterschiedliche und nicht immer leicht verständliche Weise ihren spezifischen Erfahrungen, Beobachtungen und Erkenntnissen rund um die Beziehung von Älteren und Jüngeren, Lehrenden und Lernenden.

Dass es ohne Vertrauen nicht geht, klingt als Leitthema fast wie eine Binsenweisheit. Wie aber schaffen wir es in der Praxis des Lebens, Arbeitens und Wirkens, das verlorene Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen wieder zu finden in unserem bürokratisierten und auf Konkurrenzkampf geeichten Lehr-/Lernsystem, in dem alle Beteiligten, d. h. Kinder, Eltern und pädagogische Fachkräfte gleichermaßen von Ängsten getrieben den Nährboden pflegen für Misstrauen in der Begegnung mit dem Du?

Der Hirnforscher Gerald Hüther liefert plausible Beweise für die Prägung des menschlichen Gehirns durch Beziehungserfahrungen entgegen der verbreiteten Meinung, es diene vor allem der Aufnahme und Verarbeitung faktenorientierter Wissensbausteine.

Wer erinnert sich nicht an das unfruchtbare einsame Vokabelpauken für den trockenen Schulunterricht im Vergleich zu lebhaften Gesprächen mit fremdländischen Freunden in ausgelassener Atmosphäre, in welcher facettenreich klingende Wörter emotionale Erinnerungswerte hinterlassen, die das ausgefeilteste Lernsystem via Karteikartenbox oder Computeranimation nicht zu ersetzen vermag?

Und wer wird Annelie Keil nicht beipflichten beim Lesen ihrer prägnant formulierten Beobachtungen:

    »Emotionale und soziale Benachteiligung, Beziehungsverweigerung, Ausgrenzung und Isolation, Konkurrenz und Überforderung, politische, pädagogische und wissenschaftliche Arroganz, Besserwisserei, Bevormundung, Verwöhnung und Rechthaberei begleiten die Prozesse des Lernens in jedem Alter und beschädigen die Kraft zu nachhaltiger Neugier und zu einem Leben in eigener Verantwortung.« (S. 50)

Das ist sicher nur die Spitze des Eisberges erkalteter Seelen … doch wo ist der Ausweg?

Karl Gebauer berichtet von seinen umfangreichen Studien über Väter und ihre Bedeutung für die Identitätsentwicklung des Kindes:

    »Zuwendung, Anerkennung, emotionale Achtsamkeit, Anregungen, Geborgenheit, Beziehungsvorbild sind grundlegende Merkmale eines zugewandten Vaters im gesamten Entwicklungsprozess.« (S. 77)

Wolfgang Bergmann führt uns noch einmal das »Drama des modernen Kindes« vor Augen,

Jesper Juul und Helle Jensen plädieren für eine »Stärkung der Beziehungskompetenz von Eltern und Erziehern«.

Eine anthologische Variation aus bereits verlegten Werken der pädagogischen Reihe des Walter-Verlages, so schien es mir beim Lesen einer Vielzahl bekannter Gedanken. Den Praxisbezug des Schauspielers und Theaterpädagogen Christoph Huber empfand ich im Rahmen dieser Auswahl wie einen Ankerwurf auf hoher See.

Für Neueinsteiger, welche die Hauptwerke der erfolgreichen »Walter-Autoren« noch nicht kennen, bietet dieses Buch einen geistreichen und vielseitigen Einblick in neue Denkweisen, Erkenntnisse und Perspektiven zu pädagogischen Themen. Als Fortsetzungsreihe zum »Dranbleiben« empfand ich manche Ähnlichkeiten, so sympathisch mir die transportierten Inhalte bleiben, stellenweise als lähmend. Für zukünftige Projekte wünsche ich mir eine stärkere Betonung der Praxis mit mehr Mut zu bodenständigen Erzählungen aus dem Lebens- und Erziehungsalltag, in dem sich nicht nur studierte Fachkräfte wieder finden, sondern auch und vor allem Eltern, die das Vertrauen ihrer Kinder gewinnen müssen, indem sie ihrerseits Vertrauen in die »Fachwelt« entwickeln.

Jutta Riedel-Henck, 7. Oktober 2004

 

Weiterführende Links:

Mehr Infos zum Buch beim Patmos-Verlag

Homepage des Autors Karl Gebauer

WIN-Future
Wissenschaftliches, interdisziplinäres Netzwerk zur Förderung und Verbreitung fachübergreifender, zukunftsorientierter Erkenntnisse im Bereich Erziehung und Bildung, das helfen will, eine Brücke zu schlagen zwischen Wissenschaft und Praxis.
Gegründet von Prof. Dr. Gerald Hüther (Hirnforscher) und Karl Gebauer (Pädagoge und Sachbuchautor)

 

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