Ein denkwürdiger Denkkomponist
Zum Gastspiel im Heidelberger AnnaBlumCabaret
Der wunderbar vielseitig ungebundene Künstler janko jezovšek-jizou hat wieder einmal seine fabelhafte Ausdauer unter Beweis
gestellt und zeigte uns zum wiederholten Male seine Begabung als hoffnungsvoller Impulsgeber. Wir greifen nicht zu hoch, wenn wir uns der Südostdeutschen Zeitung anschließen und zum Ausruf steigern:
»Er hätte ja ein umwerfender Korrepetitor werden können!« Auch eine seiner ersten und letzten Klavierlehrerinnen war kürzlich
begeistert und meinte: »Du hättest ja Sänger werden können!« Andere wiederum fragten: »Machen Sie das professionell?« Viel näher kommt schon die verständnisvolle Privatanfrage: »Können Sie davon leben?«
Besondere Erwähnung gebührt der Theaterprinzipalin Jane Zahn, seiner Mannageberin und Lastenträgerin, die noch im Nachhinein in der ganzen
Rhein-Neckar-Umgebung die bereits ausgehängten und zum Teil bereits überklebten Plakate mit kunterbunten Filzstiften in serieller Technik korrigiert hatte, weil der schwierige Name des im
steirisch-kärntnerischen Slovenien geborenen Klang- und Pausensetzers falsch geschrieben wurde – ein Zet sollte an der Es-Stelle stehen, das Es
in der dritten Silbe einen kleinen Sch-bedeutenden V-ogel beherbergen. Die ungemein schwierige Aussprache des Nachnamens – in Zusammenhang mit den Vornamen gar im tänzerischen Fünfachteltakt –
wurde dafür mit dem Publikumsplasma in geteilten Chören eingeübt.
Schade, dass der Komponiste aus seiner Notenkiste nur so wenige Werke und diese auch nur andeutungsweise vorführte, dafür aber so viel
erzählt hatte – das hätte er ein anderes mal anderswo machen können – und nicht das berühmte Ave Maria zu Ende sang. Auch hätten wir lieber
den rauschend plätschernden Arpeggio-Akkorden gelauscht als immer wieder zum Mitdenken gezwungen zu werden.
Zu Gute halten muss man die aufklärerische musikkriminologische Arbeit des noch lebenden Meisters jjj – seine Aufdeckung des Holzfugenhirns
von J.S. Bach, die Überführung des Melodienklaues Mozarts durch Mozartkugeln als Belohnung für die aufmerksamen und fündigen Zuhörer, und die missbräuchliche Verwendung der unschuldigen Volksmusik durch
die Religions- und Polit-Institutionen, die uns bedenklicher stimmen als je zuvor. Wenn diese Wirkung anhält, wird der eine oder vielleicht der andere
die Konsequenz daraus ziehen und bald aus der Kirche oder aus der Partei austreten, womöglich sogar die Finanzamtverbindung zu seinem
Bankkonto fristlos kündigen. Der Kritiker gesteht, bei dieser musischen Vorrevolution selber die Faust in der Hosentasche geballt zu haben ...
Mit offenen Ohren folgte die auserlesene Besucherschaft den Spuren des (zu) frühen Beethovens in einer unbekannten Händel-Messe, ja sogar
einigen Verdi-Anklängen und Pater Fleury mit Freddy und Last but not Liszt waren Paten beim »Otschi tscharnaja im Mondschein« ohne Sonate.
Die heutige Hauptaufgabe der Musik liegt wohl in der zu beruhigenden Wirkung, außer bei den überlebensnotwendigen intensivstationsartigen
Beat-Disco-Wiederbelebungsversuchslautsprecherbassschlägen.
Diese Ruhe gönnte der Tondichter uns nicht und belästigte das aufs anschließende Geburtstagsabendessen wartende Publikum mit den
immer wieder gestellten Fragen: »Warum sind Sie gekommen? Was erwarten Sie von heute Abend?«
Wir antworten: »Für wen komponieren Sie eigentlich?«
Dr. Ignatius Hör-Runkel
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Bergstraßenkurier 8.12.2003, Online-Nachtausgabe, www.operamobile.info
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© 2003 Autoren
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