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REZENSION 31

Heidemarie Brosche

Warum es nicht so schlimm ist, in der Schule schlecht zu sein
Schulschwierigkeiten gelassen meistern

192 Seiten, Paperback
€ 14,95
München: Kösel, 2008
ISBN 978-3-466-30817-0

Leicht gesagt, aber schwer getan – so ist es wohl mit allen guten Vorsätzen von uns denkenden Menschen. Gelassen bleiben, wenn die Schwere der Realität in der Seele drückt, um bei aller Sehnsucht nach Entspannung die Zügel anzuziehen, statt locker zu lassen, scheint zudem ein Kunststück, das nur jenen gelingt, die problemlos ihr Leben meistern – als Folge ihrer Gelassenheit.

Die Autorin Heidemarie Brosche, selbst Lehrerin und Mutter dreier Kinder, musste die Gelassenheit im Umgang mit schulischen Problemen ihrer beiden Söhne erst lernen. Als eine der größten Krisen ihres »bis dahin recht angenehm verlaufenen Mutter-Lebens« beschreibt sie deren Leistungsabfall in der 7. bzw. 9. Klasse des Gymnasiums:
 

    »Ich war ratlos. Ich war unglücklich. Ich fühlte mich als Versagerin. Immerhin hatte ich mich von meiner Tätigkeit als Lehrerin beurlauben lassen, um meinen Söhnen in den ersten Jahren eine gute, eine fördernde Mutter sein zu können.
    Ich hatte wirklich gehofft, vieles – wenn auch nicht alles – richtig gemacht zu haben. Und jetzt stand ich vor den Scherben.
    Die Situation eskalierte damals derart, dass einer der Söhne die Schulart wechselte, der andere die Klasse an einem anderen Gymnasium wiederholte.« (S. 12)
     

Was gibt es motivierenderes als die persönliche Betroffenheit, um ein Buch zu schreiben und sich eingehend mit dem Problem zu beschäftigen?
Heidemarie Brosche nutzte die Herausforderung der Schulschwierigkeiten ihrer Söhne und machte sich auf den Weg der Auseinandersetzung mit Schulfrust und Stress zwischen gestern und heute, begonnen mit »ein wenig Historie« über die Einführung der Schulpflicht und ihre nicht unbedingt positiven Folgen.

In weiteren Kapiteln geht es um »Eigenarten schulischen Lernens« und die Hürden der Realität durch ungeeignete Schularten, mangelnde Förderung, verbunden mit den unterschiedlichen individuellen Voraussetzungen und Begabungen der Schüler/innen, die nicht in jedem Falle »kompatibel« mit den vorgefundenen Lernbedingungen sind.

Mit grau hinterlegten »hilfreichen Gedanken« ermutigt die Autorin den ratsuchenden Leser zwischen den Kapiteln, seine Kinder in ihrer Eigenart zu stärken, statt sie zur Unterwerfung an die geforderten Leistungen zu zwingen, was den Teufelskreis der Lernverweigerung eher pflege, statt Auswege zu ermöglichen.
 

    »Ich werde versuchen, die Begabungen und nicht die Minderbegabungen meines Kindes im Vordergrund zu sehen.« (S. 48)

    »Ich bemühe mich darum, meinem Kind das Gefühl zu vermitteln, dass Fehler auch ihr Gutes haben.« (S. 140)
     

Beim Lesen der bunten Mischung von kritischen und zugleich versöhnlichen Gedanken und Zitaten ehemaliger Schüler/innen, die ihren Weg im Leben trotz schlechter Noten oder verpatzter Abschlüsse auf ihre Weise erfolgreich gegangen sind, fand ich mich häufig an Situationen und Gespräche meiner eigenen Schulzeit erinnert. Als ehemalige Schülerin, die sich lieber politisch, sozial und musisch engagierte, statt sich dem öden Pauken von Vokabeln und Geschichtsdaten zu widmen, und aktuelle Elternvertreterin an der Schule meiner Tochter höre ich mich häufig sagen, dass die als so schrecklich empfundene 5 in Mathe oder 4 in Geschichte später »kein Schwein interessiere«. Natürlich gäbe es bestimmte Anforderungen an das Abschlusszeugnis. Wer sich aber ständig verrückt mache und unter Druck setze, könne die verbleibende Zeit nicht sinnvoll nutzen und würde eher das Gegenteil bewirken: Zunahme von Frust und damit Lernunfähigkeit. Lernen bedarf einer freundlichen und gelassenen Atmosphäre. Wenn diese in der Schule keinen Platz fände, seien wir Eltern umso mehr gefordert, unseren Kindern eine liebevolle Umgebung zu gestalten, in der sie sich aufgefangen wissen, wenn sie an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln, weil sie an dem engstirnigen Bewertungsschema unseres an Effizienz orientierten »Bildungswesens« scheitern.

In den Ausführungen von Heidemarie Brosche habe ich eine »Verbündete« gefunden. Ein Buch, das eine Menge Stoff für anregende Gespräche zwischen Schülern, Eltern und Lehrern bietet.

Jutta Riedel-Henck, 22. August 2008

 

Links:

Homepage der Autorin Heidemarie Brosche:
http://www.h-brosche.de

 

 

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